Meine kurze Geschichte intellektueller Redlichkeit: Für Europa.
Ich bin Europäer mit polnischen Wurzeln, in Österreich geboren und sozialisiert. Jetzt weht eisiger Wind von links und von rechts. Ich bleibe stehen und schreibe weiter – für meinen Vater, meine Mutter und meine Geschichte.

Mein Vater ist vor den Kommunisten in Polen nach Österreich geflohen. Als Jungs wurden er und seine Freunde von kommunistischen Regime-Polizisten auf dem Heimweg aus der Kirche verfolgt und geschlagen. Polen hassen Russen. Aber auch vor Österreichern hat mich mein Vater gewarnt. „Pass auf“, meinte er, „wenn’s kritisch wird, laufen sie mit.“ Heute sagt man nicht mehr Mitläufer. Heute sagt man Kontaktschuld. Mein Vater? Stand sein Leben lang allein da.
Gestern mahnte Giuliano da Empoli – Erfolgsautor, Professor und politischer Berater – Europa im deutschen Handelsblatt vor einem Jahrhundert der Erniedrigung. Was wir dagegen tun können? Uns vor den Aggressoren wehren! Aber wo sind sie? Wer sind die Aggressoren? Nun: Russland, USA, Türkei, Indien und China gehören auf jeden Fall dazu. Machen wir’s kurz: Europa steht allein da.
Die Chinesen werden für ihre Kriegskunst bewundert. Sie wurzelt in einem anderen Verständnis von Zeit, die chinesische Kriegskunst ist philosophisch fundiert. Auf der anderen Seite der Erde rufen die Amerikaner gerade ihre Militärs aus aller Welt in die Kommandozentralen, um den Kriegsgeist zu beschwören. Am Ende werden sie wohl wieder Bomben werfen – die größten aller Zeiten.
Und Europa? Wir sind zerstritten. Wir reden nicht miteinander. Wenn ich Gäste von links in meinen Podcast einlade und sie sehen, dass ich auch mit Leuten von rechts spreche, melden sie sich nicht mehr. Das ist Europas Kriegskunst. Können wir damit gegen US-amerikanische Tech-Bomber bestehen? Wohl nicht. Und gegen chinesische Kriegsphilosophie? Nie im Leben.
„Gott ist tot“, hat es lange geheißen. Gott ist in Europa gestorben. Heute ist es die intellektuelle Redlichkeit, die stirbt. Gott aber ist zurück. Seine Truppen marschieren in den USA auf. Es wird nicht lange dauern, bis sie in Europa landen.
Mein Vater ist im Lockdown ums Leben gekommen. In meiner Erinnerung kann ich die kommunistischen Regime-Polizisten auf seinem Heimweg aus der Kirche noch prügeln sehen. Meine Freunde und Kollegen feinden mich an, weil sie mitlaufen – nach links oder nach rechts. Ich steh allein da – und bleibe stehen. Ich werde weiterschreiben. Nicht für Polen oder Österreich, sondern für das, wofür ich als echter Europäer stehe: für intellektuelle Redlichkeit.